Mein Yoga-Weg Kapitel 1: Die Reise beginnt
saha nāvavatu
Mögen wir beide beschützt werden
Mögen wir beide an diesem Studium wachsen
Mögen wir mit großer Energie zusammen arbeiten
Mögen wir beide voller Kraft studieren
Möge keine Feindschaft untereinander aufkommenfrei übersetz von im fokus.
Als Mitgründerin des im fokus. – Institut für Yoga und Psychotherapie und Einzige im Team, die Yoga bisher hauptsächlich aus einer Perspektive der Konsumentin praktiziert, begebe ich mich mit meiner Teilnahme an unserer Viniyoga-Lehrausbildung nicht nur auf den Yoga-Weg der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung, sondern auch auf eine Reise in den Kern unseres Institutes. Wir haben mit all unseren Angeboten Yoga im fokus. -insofern liegt nichts näher, als dass auch ich meinen psychotherapeutischen Standpunkt um die Yoga-Perspektive erweitere.
An dieser Reise möchte ich die Außenwelt teilhaben lassen und führe darum ab jetzt diesen Blog.
Bitte bedenke stets: Mein Weg ist nicht Dein Weg. Auch wenn wir die gleiche Strecke gehen, wir nehmen Unterschiedliches wahr, verarbeiten jede:r anhand ihrer/seiner Prägungen und neuronalen Strukturen. Nichts was ich hier schreibe, hat den Anspruch “für alle richtig” zu sein oder “die Wahrheit” zu dokumentieren. Es ist einzig und allein meine Erfahrung und ich freue mich, darüber in den Austausch zu gehen.
Soviel der Vorrede. Nun zum 1. Ausbildungswochenende, das ich aufgrund der tollen Dokumentation, die wir von einer Ausbildungsteilnehmerin erhalten haben, noch sehr gut rekonstruieren und mit meinen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen anreichern kann.
Einführung, Kennenlernen, Chanten, Üben und ein erstes Resumé.
Wir starteten am Freitag, 30.06.2023 um 16:00h mit einer kurzen Einführung in die Ausbildung durch Gabriella Stramaglia und Ilka Pracht. Im Anschluss hatten wir etwas Zeit uns als Gruppe kennen zu lernen und mit dem Chanten von saha nāvavatu ein erstes Ritual zu etablieren.
Worte und Melodie sind mir fremd und dennoch hat das Chanten in der Gruppe etwas Verbindendes. Gleichzeitig spüre ich Unruhe in mir, weil ich noch nicht ganz einzusteigen vermag, aber auch Offenheit und Neugierde für das was da kommt. Und es gibt auch eine Zuversicht: singen in der Gruppe ist schön, das weiß ich schon und ich vertraue, dass ich Worte und Melodie lernen kann.
Nachdem geklärt wurde, wer das Protokollschreiben für das erste Ausbildungs-Wochenende beginnt, werden wir von Gabriella durch eine Willkommenspraxis geleitet, die wir im Anschluss jede:r für sich reflektieren. Ich stelle fest, dass die von mir als sehr langsam empfundene Art Yoga zu praktizieren, eine sanfte Seite in mir berührt. Es fühlt sich so an, als antizipiere dieser Yoga, einen sanften Umgang mit mir selbst, was sich einerseits schön und andererseits auch ungewohnt und fast bedrohlich anfühlt => “das bin nicht ich”. Als Resümee für diesen ersten Tag lasse ich stehen: Viniyoga aktiviert die Sanftheit in mir.
Zum Abschluss bekommen wir noch die Aufgabe uns für den nächsten Tag Gedanken darüber zu machen, was Yoga für uns bedeutet.
Eine Reflexionsfrage: Was ist Yoga für Dich?
Wir starten den Samstag mit ein paar Reflexionsfragen in den Tag. U.a. steht die Frage “Was ist Yoga für mich?” im Raum. Mit einem Wort: eine Chance. Etwas ausführlicher sehe ich im Yoga für mich die Chance, ein uraltes Weisheitsystem kennen zu lernen, welches Körper und Geist zusammenbringt. Als sehr “kopflastige” Person und gesprächsfokussierte Beraterin, ahne ich schon eine ganze Weile, dass in der Hinzunahme des Körpers in therapeutischen Prozessen, sowohl für mich als auch für meine Klient:innen ein hilfreicher Erfahrungsraum schlummert, den ich mir bisher noch nicht erschlossen habe.
1. Lehrpraxis bhujaṅgāsana.
Weiter geht es mit einer 1. sogenannten Lehrpraxis (also einer Praxis anhand derer wir etwas lernen sollen), angeleitet durch Ilka. Während der Praxis fühle ich mich manchmal “alleine gelassen” (hier wird weniger angesagt, als ich erwarten würde) und dann “korrigiert” (jemand kommt und sagt mir was ich anders machen soll). Ich spüre also Wiederstände in mir. Im Nachhinein besprechen wir diese Dinge in der Gruppe und es stellt sich raus, dass genau das eine der von den Dozentinnen beabsichtigten Intentionen war. Neben diesen inneren Lehr-Elementen gehen wir die Praxis am Flipchart durch und besprechen die verwendeten Symbole und Zeichen. Hier geht es also auch darum, eine “neue Schrift” zu lernen. Eine Schrift, bestehend aus Strichfiguren (für bestimmte Körperhaltungen) und Pfeilen (für Richtungen) und Zahlen (z.B. für die Anzahl an Wiederholungen) und Buchstaben (z.B. A für ausatmen und E für einatmen). Für mich sind das zu diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes Hieroglyphen.
Analyse bhujaṅgāsana hinsichtlich Form, Funktion und Anforderung.
Als wir dann im Anschluss an das Skipt-Lesen die Übungsreihe in Bezug auf ihre Form, Funktion und Anforderung analysieren sollen, fängt mir so langsam an zu dämmern, was ich in den nächsten vier Jahren alles zu lernen habe -und wir sind noch nicht mal bei der Hälfte des Seminars angekommen. Neben dem mir völlig fremden Namen “bhujaṅgāsana” der Körperhaltung, kommen noch lateinische Fremdwörter und Abkürzungen wie Lordosierung der LWS und BWS (also Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule) hinzu, deren Inhalt sich mir mit einem mir bislang nicht innewohnenden Blick für anatomisches Geschehen am Körper einer anderen Teilnehmerin erschließen soll und das nicht nur für einen Teil des Körpers sondern für alle Bereich von Kopf bis Fuß.
Auf Basis dessen was ich da -angeblich- sehen kann, soll ich nun entscheiden, welche Ausführungsform für die Probandin in Bezug auf eine bestimmte Wirkung unter Berücksichtigung der körperlichen (und seelischen?) Gegebenheiten und Anforderungen der Probandin, angemessen sein könnte.
Whow!!! Merkt ihr was? Ich bin total lost. Und ich fühle eine große Demut gegenüber dem Yoga und all jenen, die mir jetzt schon Längen voraus sind mit ihrem Wissen, ihrem Blick, ihrer Intuition und allen anderen Fähigkeiten, die im Üben und Lehren dieser traditionsreichen Körper-Geist-Übungen drin stecken.
Ein historischer Überblick.
Traditionsreich ist ein gutes Stichwort, denn der nächste Agenda-Punkt ist ein Vortrag über die Herkunftsgeschichte und Einflüsse verschiedener Traditionen auf den Yoga. Hängengeblieben sind bei mir die Bhagavad Gita, die Veden (religiös mythologische Texte) und die Tatsache, dass wir in Bezug auf Ursprung und Herkunft des Yoga über große, teils parallel verlaufende Entwicklungen sprechen müssen, da die Einflüsse vielfältig sind und die Anfänge einer Zeit weit vor Christi Geburt (als Startpunkt der modernen Zeitrechnung) zugeschrieben werden, aus der es kaum übermittelte Dokumentation gibt. Die verschiedenen Yoga-Richtungen, die sich über viele Jahrtausende entwickelt haben, unterscheiden sich teils deutlich und können im Rahmen der Ausbildung nicht alle umfassend beleuchtet werden. Der moderne Viniyoga, der in unserer Ausbildung gelehrt wird, geht auf T. Krishnamacharya und dessen Sohn T.K.V Desikachar zurück und ist geprägt durch den Leitsatz
“Lehre, was für den einzelnen angemessen ist. Yoga muss sich dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt.” (T. Krishnamacharya).
An dieser Stelle ist mir nochmal der Hinweis wichtig, dass der letzte Absatz wirklich ausschließlich das wiedergibt, was ich aktuell noch erinnere und nichts mit dem tatsächlichen, viel umfangreicheren geschichtlichen Abriss zu tun hat, den wir von den Dozentinnen erhalten haben. Dieser Blog spiest sich aus meinen Erinnerungen und Erfahrungen und dient nicht der akkuraten Vermittlung von Wissen. Für die vollständige Wissensvermittlung dürfen Sie gerne an einer unserer Ausbildungen teilnehmen.
Unterrichtsgestaltung- und Anleitung.
Neben dem erneuten Üben der Lehrpraxis, bekommen wir die Aufgabe in Kleingruppen zu erarbeiten, wie wir Menschen in eine Yogaübung führen können und welche Vor- und Nachteile die unterschiedlichen Varianten haben könnten. Salopp ausgedrückt, sollen wir die Möglichkeiten erörtern, wie ein menschlicher Körper von einer Position in die andere gebracht werden kann. Von der Anwendung physischer Aktionen, über das Vormachen bis hin zum verbalen Anleiten finden wir noch viele weitere Möglichkeiten, deren Vor- und Nachteile ebenfalls vielschichtig sind: nicht jede:r möchte angefasst werden, beim Vormachen sind wir als Anleitende nicht mit der Aufmerksamkeit bei den Teilnehmer:innen und bei der sprachlichen Anleitung bleibt ggf. viel Raum für Interpretation. Auch mit dieser Übung erschließt sich mir eine weitere Facette dessen, was es zu lernen gilt: Unterrichtsgestaltung und Anleitung.
2. Lehrpraxis.
Mit welcher Brille schaue ich auf eine Yoga-Praxis.
Resümee.
Diese letzten Übung dient sehr gut als Überleitung in das Resümee meines ersten Ausbildungswochenendes der Viniyoga-Lehrausbildung an unserem Institut für Yoga und Psychotherapie: Wir sprechen auf unserer Webseite nicht umsonst davon, dass Yoga ein Weg ist und dass ein Ziel der Ausbildung darin besteht den Yoga zu studieren. Obwohl ich das schon vielfach gehört hatte, ist mir erst durch das erste Ausbildungswochenende so richtig klar geworden, wie facettenreich und umfassend meine Reise wohl sein wird und was ich alles lernen werde:
- Anatomie: Einen Blick für die menschliche Anatomie entwickeln
- Zeichnen: Strichfiguren so malen, dass sie dem/der geneigten Leser:in die gewünschte Ausführung einer Yogahaltung aufzeigen
- Konzeption: Einen Yogakurs so zu konzipieren, dass er zeitlich und vom Ablauf der Yoga-Elemente, die zur Anwendung kommen, stimmig für die jeweilige Zielgruppe und deren Zielsetzung ist
- Didaktik: einen Yogakurs anleiten (Worte, Stimme, Geschwindigkeit, Tonlage, Blick, Körperkontakt, Fokus
- Fremdsprache: Indische Worte lesen, verstehen und aussprechen lernen um die Yogahaltungen bei ihren ursprünglichen Namen nennen zu können
- Geschichte und Kultur: die Geschichte und kulturellen Einflüsse des Yoga kennen und verstehen lernen
- Haltung: Unterschiede der verschiedenen Yogarichtungen erkennen und verstehen.
Aller Wahrscheinlichkeit noch, habe ich noh etwas vergessen, aber ich denke, mein Punkt wird deutlich: Yoga ist komplex. Darum bin ich sehr froh, dass meine Kolleginnen Ilka Pracht und Gabriella Stramaglia eine qualitativ hochwertige, vom BDYoga akkreditierte Yoga-Lehrausbildung anbieten und ich über einen Zeitraum von mindestens 4 Jahren kompetent auf meinem Yoga-Weg begleitet werde. Dieses hohe Niveau passt zu meinem Anspruch, selbst eine gut qualifizierte Begleiterin für meine Klient:innen sein zu wollen. Die Gefahren von zu kurzen, nicht akkreditierten Ausbildungen werden in diesem Stern-Artikel beleuchtet.
Vier Jahre scheinen aktuell ein langer Zeitraum zu sein und ich bin sicher, dass ich ihn brauchen werde und mein Yoga-Weg noch immer erst auf einer frühen Etappe ist.
Wenn Ihr Lust habt, mich auf diesem Weg ein stückweit zu begleiten, könnt ihr Euch für unseren Newsletter anmelden. Dort werden neue Blogbeiträge bekannt gegeben.
Und wenn ihr Fragen an mich oder eine andere Person im Institut habt, schreibt uns gerne eine Mail.
Herzliche Grüße und bis bald!
Lilly